Das erste Schuljahr ist geschafft!
Unsere Erfahrungen aus dem 1. Ausbildungsjahr während der Pandemie:
Ja. Man kann und will es nicht mehr hören. Doch seit März 2020 steht die Welt einerseits still und andererseits überschlagen sich die Ereignisse. Das Virus verursacht Planungsunsicherheiten, Herausforderung und teilweise Überforderung im Privatleben und im Schul-, Uni- oder Berufsleben aller Menschen. Kein passender Zeitpunkt eine Berufsausbildung zu beginnen, doch für die meisten Mentees der dritten Kohorte ging es im Herbst 2020 in das erste Ausbildungsjahr. In diesem Beitrag blicken wir, meine Mentee Yumna und ich, auf Schwierigkeiten und Herausforderungen zurück, denen sich Yumna als Auszubildende im ersten Lehrjahr stellen musste. Diese Herausforderungen sind wir im Team mit unterschiedlichen Lösungsansätzen angegangen, konnten diese zum Teil überwinden und tragen die Konsequenzen mit Zuversicht in das nächste Schuljahr.
Ein Sprung ins kalte Wasser – Berufsschulstart im Lockdown
Yumna wurde etwas verspätet im November 2020 für die Berufsschule angemeldet. Für sie begann die Schulphase mitten im Lockdown. Ohne PC oder Tablet wäre die Teilnahme am Unterricht undenkbar gewesen. Glücklicherweise verlieh die Berufsschule während der Lockdown-Phasen Tablets an ihre Schüler*innen.
Mit fehlender Erfahrung im Online-Learning musste sich Yumna dem Distanzunterricht anpassen. Die Herausforderungen für Teilnehmende mit Deutsch als Zweitsprache sind ähnlich wie im Präsenzunterricht: die Sprachbarriere ist das größte Problem. Doch im Distanzunterricht schien sich diese Barriere noch zu erhöhen. Zunächst wurde vor allem via WebUntis-Chat kommuniziert. WebUntis ist die Basissoftware der Berufsschule, über welche Stunden- und Vertretungspläne kommuniziert werden, aber auch alle Mitglieder der Organisation kontaktiert werden können. Gestik und Mimik aller Teilnehmenden fielen im Distanzunterricht weg. Yumna wurde von Arbeitsblättern überschwemmt, mit deren Inhalt sie nicht vertraut war. Es wurden Zeitangaben gemacht bis wann die Lösung an die Lehrkraft per Chat zu schicken sei. Kein Wunder, dass es Yumna schwerfiel, sich im Distanzunterricht einzufinden. Unter diesen Umständen erforderte die Teilnahme am Unterricht ein hohes Maß an Selbstdisziplin. Da Yumna von sich selbst behauptet noch nie viel Spaß an Schule gehabt zu haben, ist diese Situation umso kräftezehrender für sie gewesen. Yumna fühlte Frustration und war sauer, da sie nicht wirklich etwas an der Situation der Fernlehre ändern konnte. Sprachdefizite konnten nicht auf magischer Weise schnell aufgeholt werden, um mit der Geschwindigkeit des Unterrichts mithalten zu können.
So versuchten wir in unseren Mentoring-Einheiten die Arbeitsblätter, die bearbeitet wurden, erneut durchzugehen. Aufgrund der großen Masse, die nachzuholen war, haben wir uns auf die Fächer BWL, Politik und Gesellschaft und Fachtheorie Nahrung beschränkt. Nach einiger Zeit wurde klar, dass auch diese Beschränkung zu viel Aufwand war, um diese im Mentoring abzudecken. Wir probierten zeitweise aus zwei Mentoring-Treffen pro Woche anzusetzen, doch schnell war Yumnas Motivation gesunken. Wir einigten uns auf ein Treffen pro Woche.
Gut vernetzt ist die halbe Miete?
Soweit es unter den Umständen der Pandemie möglich war, fanden die Treffen im Restaurant, Yumnas Ausbildungsbetrieb, statt. Dadurch konnte ich ihre Chefin kennenlernen und wir haben zu dritt im Team besprochen, wie wir das Lernen des Unterrichtsstoffes aufteilen können. Da Yumnas Chefin fließend Arabisch und Deutsch spricht, fällt es den beiden leicht komplexe Inhalte zu besprechen. Das gute, freundschaftliche Verhältnis zur Chefin und viel Spaß an der Arbeit sind für Yumna wichtige Faktoren für die Motivation die Ausbildung abzuschließen.
Bei Fragen an Lehrkräften bezüglich Prüfungen oder auch zur Relevanz des Unterrichtsstoffes haben wir diese über WebUntis kontaktieren können. Wir bekamen einige hilfreiche Rückmeldungen und konnten somit unsere Mentoring-Einheiten besser planen.
Lebenslanges Lernen – besonders für die Institution Schule
Natürlich wuchs auch die Berufsschule mit der Zeit in die Herausforderung des Distanzunterrichtes hinein. Anfang 2021 stellte die Berufsschule den Unterricht über WebUntis auf MS Teams um. Diese Änderung war, wie jede Änderung in einer Organisation, nicht frei von Schwierigkeiten und Anfangsfehlern: Schüler*innen fanden nicht in Meetingräume und Unterrichtsmaterialien wurden teilweise nur über WebUntis, teilweise nur über Teams verteilt. Die Lehrkräfte gaben sich Mühe auch die Schüler*innen zu erreichen, die nicht immer am Unterricht teilnehmen konnten oder verspätet ins Schuljahr eingestiegen sind. So wurden Zusammenfassungen zum Unterrichtsstoff des ersten Schuljahres erstellt oder Lösungen zu den Arbeitsblättern in übersichtliche Dokumente zusammengetragen.
Für Yumna hat sich durch die Umstellung auf MS Teams jedoch wenig geändert. Sie fühlte sich teilweise nicht ausreichend von den Lehrkräften gesehen. Die Kameras blieben aus. Der Unterschied lag nun darin, dass hauptsächlich miteinander gesprochen und nicht geschrieben wurde.
Zurück zum Präsenzunterricht
Anders empfindet Yumna den Präsenzunterricht, der seit Mitte des zweiten Halbjahres stattfinden konnte. Yumna fällt es in der Schule leichter bei Unklarheiten nachzufragen. Sie hat nun ein Gesicht zu den Lehrkräften und vor allem auch zu ihren Mitschülern und -schülerinnen. Zudem ist weniger Selbstdisziplin gefragt, da man sich in der Früh einmal dazu entscheiden muss zur Berufsschule zu gehen und dort den Unterrichtstag verbringt. Manchmal fühlt sich Yumna noch etwas übersehen und überfordert, wenn Arbeitsblätter mit wenig Anleitung und einer knappen Zeitvorgabe ausgeteilt werden. Doch nun haben auch die Lehrkräfte die Möglichkeit, die nonverbale Reaktion der Schüler*innen einzuschätzen und danach reagieren zu können. Yumna, als Schülerin mit Deutsch als Zweitsprache, scheint in der Klassenzusammensetzung die Minderheit zu sein. Ihrer Schätzung nach sind 80 Prozent der Auszubildenden in der Klasse mit Deutsch als Muttersprache aufgewachsen. Eine Binnendifferenzierung ist demnach sehr wichtig, doch fraglich, wie dies auch immer umgesetzt werden kann. Für Yumna ist jedoch klar: Sie geht um einiges lieber in die Berufsschule anstatt online dem Unterricht folgen zu müssen. Wir hoffen, dass der Präsenzunterricht im zweiten Schuljahr stattfinden kann.
Gut gewappnet ins nächste Jahr
Das erste Ausbildungsjahr ist mit Höhen und Tiefen über die Bühne gebracht worden. Im Mentoring konnten wir den Unterrichtsstoff bisher nicht gänzlich aufholen. Aus diesem Grund haben wir uns vor ein paar Monaten Planungshilfen, wie den Prüfungskatalog der AkA und ein Übungsheft für die IHK-Prüfung angeschafft. Darauf basierend konzipiere ich Mentoring-Einheiten, um die wichtigsten Inhalte, angepasst auf die uns bevorstehende Prüfung abzudecken. Dabei versuchen wir die Verbindungen zum Unterrichtsmaterial der Berufsschule zu finden und dieses ebenso im Mentoring einzubringen.
Es steht uns viel Arbeit bevor, um das Ziel zu erreichen, nächstes Jahr die Abschlussprüfung erfolgreich zu bestehen. Es ist wichtig Motivation zu zeigen und ausreichend Zeit für das Mentoring einzuräumen. Dabei wollen Yumna und ich aber auch nicht den Spaß vergessen und die Möglichkeit nutzen uns kennen und verstehen zulernen. Wir blicken mit Zuversicht ins kommende Ausbildungsjahr.
–Ein Beitrag von einem unserer Tandems–